Wie hält es die Stadt Ludwigsburg mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit?
Anfrage der Gruppe
ÖkoLinX-Antirassistische Linke im Ludwigsburger Gemeinderat vom 3. Juni 2018
Betreffend:
- zulässige Breite von Transparenten
- Absprachen bezüglich der Demonstrationsstrecke
Jeweils
bezugnehmend auf die „Antikapitalistische 1. Mai Demonstration“ am 1. Mai 2018.
Vorbemerkung:
Entgegen eines weit verbreiten Irrglaubens bedarf es für öffentliche
Versammlungen unter freiem Himmel keiner „Genehmigung“. Nach § 14 (1)
Versammlungsgesetz ist lediglich eine Anmeldung spätestens 48 Stunden vor der
Bekanntgabe der Versammlung erforderlich.
In § 15 (1)
Versammlungsgesetz heißt es: „Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder
den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach
den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche
Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.“ (Herv.
ÖkoLinX)
Zu 1:
Der
Versammlungsbescheid vom 25. April 2018 beschränkte unter Ziffer 12 die Breite
von Transparenten auf höchstens 2,50 Meter. Dies kommt einem faktischen Verbot
von Transparenten gleich. Transparente sind ein wichtiges Kommunikationsmittel
bei politischen Demonstrationen. Die Vermittlung der zentralen politischen
Inhalte gegenüber Passant*innen und auf Fotos (Presse, Social Media) wird durch
ein faktisches Verbot von Transparenten massiv eingeschränkt. Grundsätzlich
bedürfen einschränkende Auflagen einer ausführlichen und schlüssigen Begründung
im Sinne des oben zitierten § 15 VersG. Im Auflagenbescheid beruft sich der Fachbereich
für Sicherheit und Ordnung auf das Kooperationsgespräch zwischen Behörden und
Anmelder Kube sowie einer weiteren Vertreterin der Demo-Organisator*innen vom
24. April, welches die Begründung überflüssig mache. Die Breite der
Transparente war jedoch nicht Gegenstand des Kooperationsgesprächs, weswegen
eine schlüssige Begründung dieser massiven Einschränkung zwingend erforderlich
gewesen wäre.
Bei der
Versammlung selbst begründete Polizeieinsatzleiter Hirsch diese Auflage mit
einer angeblichen Gefährdung des Straßenverkehrs. Diese Begründung ist nicht
schlüssig. Die Breite des für die Demonstration abgesperrten Bereich hätte auch
Transparente in doppelter Länge ohne weiteres möglich gemacht. Der Vorschlag
seitens der Versammlungsleitung, die Transparente nur seitlich einzusetzen,
wurde von der Polizei abgelehnt. Erst nach langen Diskussionen gestattete Herr
Hirsch, dass die Transparente zumindest bei der Zwischenkundgebung auf dem
Marktplatz gezeigt werden durften, da das Argument
"Verkehrssicherheit" in Bezug auf den Marktplatz völlig absurd ist.
Kurz vor Beginn der Demonstration schnitten zwei Versammlungsteilnehmer*innen ein
Transparent zu, sodass es die Auflagen erfüllte. Ansonsten wäre es eine
Demonstration völlig ohne Transparent geworden.
Zu 2:
Beim
Kooperationsgespräch am 24. April wurde bezüglich der Strecke der Demonstration
unter anderem vereinbart, dass die Demonstrant*innen von der Stuttgarter Straße
in die Mathildenstraße einbiegen würden, um dann über die Seestraße und
Karlsstraße zurück zur Musikhalle zu gelangen. Ebenfalls zur Debatte stand die
Alleenstraße. Sowohl die Mitarbeiter*innen vom Fachbereich Sicherheit und Ordnung
als auch der anwesende Polizeibeamte sagten, es sei ihnen egal, durch welche
der beiden Straßen die Demonstration führen würde. Anmelder Kube entschied sich
für die Mathildenstraße, da dort im Vergleich zur Alleenstraße eine größere
Öffentlichkeitswirksamkeit (Akademiehof) möglich ist. Sowohl der Fachbereich
Sicherheit und Ordnung als auch die Polizei erklärten sich einverstanden. Im
Anhang zu den Auflagen änderte das Ordnungsamt die Route jedoch ohne weitere
Rücksprache mit dem Anmelder hin zur Variante, die durch die Alleenstraße
führte.
Als am 1. Mai
die Demonstration – wie mit Polizei und Ordnungsamt besprochen – in die
Mathildenstraße abbog, drohte Einsatzleiter Hirsch infolge der daraus
entstehenden Diskussion mit der Auflösung der Versammlung. Die
Versammlungsteilnehmer*innen bestanden jedoch auf der ursprünglich vereinbarten
Strecke und setzten diese durch. Hirsch kündigte an, Kube mit Anzeigen zu
überschütten.
Das Vorgehen
von Ordnungsamt und Polizei wirft Fragen auf. Insbesondere in Anbetracht der
Vorgeschichte: Am 13. September 2017 fand vor der Musikhalle eine Kundgebung
des Bündnis "Ludwigsburg gegen Rechts" mit anschließender
Demonstration gegen eine AfD-Wahlkampfveranstaltung statt. Im vorangehenden
Kooperationsgespräch am 30. August versuchte das Ordnungsamt (vertreten durch
Herr Müller, Frau Kölle und Herr Beck), einen weiteren Versammlungsort zu
verbieten: Das Bündnis wollte neben der Hauptkundgebung an der Musikhalle einen
Infotisch vor der Bahnhofsapotheke aufstellen, um Passant*innen zu informieren.
Das Ordnungsamt sah in diesem Infotisch eine besondere Gefahr für den Ablauf der
AfD-Veranstaltung. Anmelder Kube bestand auf diesem zweiten Versammlungsort und
kündigte im Kooperationsgespräch an, gegebenenfalls rechtlich gegen ein Verbot
vorzugehen. Daraufhin erpresste das Ordnungsamt Kube, sich selbst als
Versammlungsleiter anzugeben. Andernfalls würde kein Bescheid verschickt, gegen
den das Bündnis rechtlich vorgehen könnte. Frau Kölle sagte in diesem
Zusammenhang: "Sie machen nie selbst den Versammlungsleiter und deswegen
kriegen wir Sie wegen nichts dran." Dies interpretiert ÖkoLinX als ein
Eingeständnis des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung, es auf Stadtrat Kube
abgesehen zu haben – möglicherweise um sich für Kubes öffentliche Kritik an der
Polizei zu revanchieren. Bezüglich des zweiten Versammlungsorts wurde in einem
weiteren Gespräch ein Kompromiss ausgehandelt. Für die Versammlung am 13.
September benannte Kube kurzfristig eine andere Person zum Versammlungsleiter,
da er sich nicht von den Behörden nötigen lassen wollte. In den Auflagen zum
13. September war die Breite der Transparente ebenfalls auf 2,50 beschränkt,
dies wurde jedoch nicht kontrolliert und durchgesetzt. Bei anderen
Kundgebungen, etwa Anfang 2017 am Krauthof gegen eine AfD-Veranstaltung, betrug
die zulässige Breite der Transparente 3,00 Meter.
Mit realitätsfernen
Auflagen und der Nichteinhaltung von Absprachen schaffen der Fachbereich
Sicherheit und Ordnung gemeinsam mit der Polizei ein Instrument zur
willkürlichen Einschränkung der Versammlungsfreiheit und/oder zur politisch
oder persönlich motivierten Repression gegen Versammlungsteilnehmer*innen,
insbesondere gegen die Versammlungsleitung. Je nach Gutdünken können die
Behörden darauf bestehen, dass die realitätsfernen und aus unserer Sicht
rechtswidrigen Auflagen eingehalten werden (wie am 1. Mai 2018) oder aber
darauf verzichten (wie am 13. September 2017). Es ist fraglich, wie die Polizei
agiert hätte, wenn Stadtrat Kube auch am 13. September 2017 als Versammlungsleiter
tätig gewesen wäre.
Wir bitten um
Stellungnahme seitens der Stadtverwaltung:
Nach welchen
Kriterien wurde die Breite der Transparente von maximal 2,50 Meter festgelegt?
Wie gedenkt die
Stadt Ludwigsburg dies für künftige Versammlungen zu handhaben?
Weshalb wurde
die vereinbarte Strecke ohne Rücksprache geändert?
Wird sich der
Fachbereich Sicherheit und Ordnung künftig an bei Kooperationsgesprächen
getroffene Absprachen halten oder ist es für Demonstrationsanmelder ratsamer,
nur noch mit Rechtsbeistand mit dem Fachbereich zu kommunizieren?
Mit
freundlichen Grüßen,
Claudia Dziubas Oliver
Kube
Anhang: Foto
Das auf 2,50
Meter zugeschnittene Transparent vom 1. Mai. Laut Aussage der Polizei hätte
jeder weitere Zentimeter eine unzumutbare Gefährdung der öffentlichen
Sicherheit dargestellt.