Dienstag, 5. Juni 2018

ÖkoLinX-Anfrage: Versammlungsfreiheit in Ludwigsburg


Wie hält es die Stadt Ludwigsburg mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit?

Anfrage der Gruppe ÖkoLinX-Antirassistische Linke im Ludwigsburger Gemeinderat vom 3. Juni 2018

Betreffend:

  1. zulässige Breite von Transparenten
  2. Absprachen bezüglich der Demonstrationsstrecke

Jeweils bezugnehmend auf die „Antikapitalistische 1. Mai Demonstration“ am 1. Mai 2018.

Vorbemerkung: Entgegen eines weit verbreiten Irrglaubens bedarf es für öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel keiner „Genehmigung“. Nach § 14 (1) Versammlungsgesetz ist lediglich eine Anmeldung spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der Versammlung erforderlich.
In § 15 (1) Versammlungsgesetz heißt es: „Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.“ (Herv. ÖkoLinX)

Zu 1:
Der Versammlungsbescheid vom 25. April 2018 beschränkte unter Ziffer 12 die Breite von Transparenten auf höchstens 2,50 Meter. Dies kommt einem faktischen Verbot von Transparenten gleich. Transparente sind ein wichtiges Kommunikationsmittel bei politischen Demonstrationen. Die Vermittlung der zentralen politischen Inhalte gegenüber Passant*innen und auf Fotos (Presse, Social Media) wird durch ein faktisches Verbot von Transparenten massiv eingeschränkt. Grundsätzlich bedürfen einschränkende Auflagen einer ausführlichen und schlüssigen Begründung im Sinne des oben zitierten § 15 VersG. Im Auflagenbescheid beruft sich der Fachbereich für Sicherheit und Ordnung auf das Kooperationsgespräch zwischen Behörden und Anmelder Kube sowie einer weiteren Vertreterin der Demo-Organisator*innen vom 24. April, welches die Begründung überflüssig mache. Die Breite der Transparente war jedoch nicht Gegenstand des Kooperationsgesprächs, weswegen eine schlüssige Begründung dieser massiven Einschränkung zwingend erforderlich gewesen wäre.
Bei der Versammlung selbst begründete Polizeieinsatzleiter Hirsch diese Auflage mit einer angeblichen Gefährdung des Straßenverkehrs. Diese Begründung ist nicht schlüssig. Die Breite des für die Demonstration abgesperrten Bereich hätte auch Transparente in doppelter Länge ohne weiteres möglich gemacht. Der Vorschlag seitens der Versammlungsleitung, die Transparente nur seitlich einzusetzen, wurde von der Polizei abgelehnt. Erst nach langen Diskussionen gestattete Herr Hirsch, dass die Transparente zumindest bei der Zwischenkundgebung auf dem Marktplatz gezeigt werden durften, da das Argument "Verkehrssicherheit" in Bezug auf den Marktplatz völlig absurd ist. Kurz vor Beginn der Demonstration schnitten zwei Versammlungsteilnehmer*innen ein Transparent zu, sodass es die Auflagen erfüllte. Ansonsten wäre es eine Demonstration völlig ohne Transparent geworden.

Zu 2:
Beim Kooperationsgespräch am 24. April wurde bezüglich der Strecke der Demonstration unter anderem vereinbart, dass die Demonstrant*innen von der Stuttgarter Straße in die Mathildenstraße einbiegen würden, um dann über die Seestraße und Karlsstraße zurück zur Musikhalle zu gelangen. Ebenfalls zur Debatte stand die Alleenstraße. Sowohl die Mitarbeiter*innen vom Fachbereich Sicherheit und Ordnung als auch der anwesende Polizeibeamte sagten, es sei ihnen egal, durch welche der beiden Straßen die Demonstration führen würde. Anmelder Kube entschied sich für die Mathildenstraße, da dort im Vergleich zur Alleenstraße eine größere Öffentlichkeitswirksamkeit (Akademiehof) möglich ist. Sowohl der Fachbereich Sicherheit und Ordnung als auch die Polizei erklärten sich einverstanden. Im Anhang zu den Auflagen änderte das Ordnungsamt die Route jedoch ohne weitere Rücksprache mit dem Anmelder hin zur Variante, die durch die Alleenstraße führte.
Als am 1. Mai die Demonstration – wie mit Polizei und Ordnungsamt besprochen – in die Mathildenstraße abbog, drohte Einsatzleiter Hirsch infolge der daraus entstehenden Diskussion mit der Auflösung der Versammlung. Die Versammlungsteilnehmer*innen bestanden jedoch auf der ursprünglich vereinbarten Strecke und setzten diese durch. Hirsch kündigte an, Kube mit Anzeigen zu überschütten.

Das Vorgehen von Ordnungsamt und Polizei wirft Fragen auf. Insbesondere in Anbetracht der Vorgeschichte: Am 13. September 2017 fand vor der Musikhalle eine Kundgebung des Bündnis "Ludwigsburg gegen Rechts" mit anschließender Demonstration gegen eine AfD-Wahlkampfveranstaltung statt. Im vorangehenden Kooperationsgespräch am 30. August versuchte das Ordnungsamt (vertreten durch Herr Müller, Frau Kölle und Herr Beck), einen weiteren Versammlungsort zu verbieten: Das Bündnis wollte neben der Hauptkundgebung an der Musikhalle einen Infotisch vor der Bahnhofsapotheke aufstellen, um Passant*innen zu informieren. Das Ordnungsamt sah in diesem Infotisch eine besondere Gefahr für den Ablauf der AfD-Veranstaltung. Anmelder Kube bestand auf diesem zweiten Versammlungsort und kündigte im Kooperationsgespräch an, gegebenenfalls rechtlich gegen ein Verbot vorzugehen. Daraufhin erpresste das Ordnungsamt Kube, sich selbst als Versammlungsleiter anzugeben. Andernfalls würde kein Bescheid verschickt, gegen den das Bündnis rechtlich vorgehen könnte. Frau Kölle sagte in diesem Zusammenhang: "Sie machen nie selbst den Versammlungsleiter und deswegen kriegen wir Sie wegen nichts dran." Dies interpretiert ÖkoLinX als ein Eingeständnis des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung, es auf Stadtrat Kube abgesehen zu haben – möglicherweise um sich für Kubes öffentliche Kritik an der Polizei zu revanchieren. Bezüglich des zweiten Versammlungsorts wurde in einem weiteren Gespräch ein Kompromiss ausgehandelt. Für die Versammlung am 13. September benannte Kube kurzfristig eine andere Person zum Versammlungsleiter, da er sich nicht von den Behörden nötigen lassen wollte. In den Auflagen zum 13. September war die Breite der Transparente ebenfalls auf 2,50 beschränkt, dies wurde jedoch nicht kontrolliert und durchgesetzt. Bei anderen Kundgebungen, etwa Anfang 2017 am Krauthof gegen eine AfD-Veranstaltung, betrug die zulässige Breite der Transparente 3,00 Meter.

Mit realitätsfernen Auflagen und der Nichteinhaltung von Absprachen schaffen der Fachbereich Sicherheit und Ordnung gemeinsam mit der Polizei ein Instrument zur willkürlichen Einschränkung der Versammlungsfreiheit und/oder zur politisch oder persönlich motivierten Repression gegen Versammlungsteilnehmer*innen, insbesondere gegen die Versammlungsleitung. Je nach Gutdünken können die Behörden darauf bestehen, dass die realitätsfernen und aus unserer Sicht rechtswidrigen Auflagen eingehalten werden (wie am 1. Mai 2018) oder aber darauf verzichten (wie am 13. September 2017). Es ist fraglich, wie die Polizei agiert hätte, wenn Stadtrat Kube auch am 13. September 2017 als Versammlungsleiter tätig gewesen wäre.

Wir bitten um Stellungnahme seitens der Stadtverwaltung:

Nach welchen Kriterien wurde die Breite der Transparente von maximal 2,50 Meter festgelegt?
Wie gedenkt die Stadt Ludwigsburg dies für künftige Versammlungen zu handhaben?
Weshalb wurde die vereinbarte Strecke ohne Rücksprache geändert?
Wird sich der Fachbereich Sicherheit und Ordnung künftig an bei Kooperationsgesprächen getroffene Absprachen halten oder ist es für Demonstrationsanmelder ratsamer, nur noch mit Rechtsbeistand mit dem Fachbereich zu kommunizieren?


Mit freundlichen Grüßen,

Claudia Dziubas                                                                    Oliver Kube



Anhang: Foto


Das auf 2,50 Meter zugeschnittene Transparent vom 1. Mai. Laut Aussage der Polizei hätte jeder weitere Zentimeter eine unzumutbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dargestellt.