Mittwoch, 12. April 2017

Links, rechts, Hufeisen? Kommentar zum Extremismus-Begriff

In der politischen Debatte werfen Politiker*innen, Medien und manche(!) Gesellschaftswissenschaftler*innen radikal linke und radikal rechte politische Einstellungen gerne unter dem Begriff „Extremismus“ in einen Topf. Ganz links und ganz rechts würden sich irgendwie ähneln und seien gleichermaßen abzulehnen. Das politische Spektrum sei eine Art „Hufeisen“, die sogenannten „politischen Ränder“ würden sich also einander annähern. 
 
Was ist dran? Von den politischen Zielsetzungen her ist es absurd: Marxist*innen und Anarchist*innen (linksradikal) streben eine klassenlose bzw. herrschaftsfreie Gesellschaft an, Rechtsradikale fordern beispielsweise eine rassistische Law-and-Order-Politik bis hin zur faschistischen Diktatur. Eines haben sie tatsächlich gemeinsam: Weder die klassenlose Gesellschaft noch der Faschismus ist eine bürgerliche Demokratie. Das ist es dann auch schon im Wesentlichen, worauf es bürgerlich-demokratischen Ideolog*innen ankommt. Da geht es nicht darum, politische Strömungen zu definieren oder zu beschreiben, sondern sie als Feind*innen der herrschenden Verhältnisse zu identifizieren und zu brandmarken – und zwar völlig losgelöst vom Inhalt der jeweiligen Kritik am bestehenden System. Ob jemand am Staat kritisiert, dass er nur durch Gewalt existieren kann oder ob jemand eine andere, grausamere Staatsform möchte: Beides ist in dieser Lesart gleichermaßen „extremistisch“ - eine Verharmlosung des Faschismus, die ihresgleichen sucht. Die Bestimmung eines Gegenstandes darüber, was er nicht ist, ist willkürlich. So lässt sich zwischen allem eine Gemeinsamkeit konstruieren: Faschismus und Demokratie sind beide kein Kommunismus; Demokratie und Kommunismus sind jeweils kein Faschismus. Äpfel und Birnen sind beide keine Bananen. Kaum ein*e noch so fanatische*r Bananen-Anhänger*in würde behaupten, Äpfel und Birnen wären aufgrund ihres Nicht-Bananen-Seins zwei Extreme des Obstspektrums, die sich einander hufeisenartig annähern.