Dienstag, 25. Juli 2017

Rede: Fluchtursachen made in Germany

Redebeitrag der Rot-Schwarzen Initiative über Fluchtursachen bei der "Mut gegen Rechts"-Demo am 15. Juli 2017 in Ludwigsburg.

"Fluchtursachen sind vielschichtig, aber ihre gemeinsame Basis ist die Zerstörung der Welt durch Kriege, Ausbeutung und Umweltzerstörung. Die weltweit produzierte Nahrung würde mehr als ausreichen, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Die meisten Kranken könnten heute geheilt werden und die Medizin könnte das Leiden auf ein Minimum reduzieren. Der technische Fortschritt ist längst soweit, dass alle Menschen auf der Welt ein menschenwürdiges Leben führen könnten.

Die Realität sieht allerdings anders aus: Mehrere hundert Millionen Menschen sind unterernährt, alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an Hunger, immer noch haben nicht alle Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Noch weniger haben Zugang zu Elektrizität oder einer ausreichenden medizinischen Versorgung. Wenn Menschen ihre Heimat verlassen, um nicht zu verhungern, werden sie in den reichen Ländern als 'Wirtschaftsflüchtlinge' beschimpft.

Wir sollten uns mehr mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit das politische Handeln und Nichthandeln von Deutschland und seinen Bündnispartnern dazu beitragen, dass aktuell ca. 60 Millionen Menschen ihre bisherige Heimat und ihr bisheriges Leben hinter sich lassen mussten.

Denn so, wie Deutschland und die EU Politik betreiben, die Handelspolitik, die Agrarpolitik, die Kohlepolitik, und insbesondere die Rüstungsexportpolitik und gleichzeitig ein paar Almosen für Entwicklungszusammenarbeit hergeben, ist das in etwa so, als ob man von einer Seite Fässerweise Öl in ein riesiges Feuer kippt und gleichzeitig von der anderen Seite mit einer Wasserpistole versucht, das Feuer zu löschen und dafür dann Dankbarkeit erwartet. Die Bundesregierung hofiert Diktatoren wie das saudische Königshaus oder Erdogan. Diese waren auch beim G20-Gipfel dabei, als sich die mächtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt trafen und im Sinne ihrer jeweiligen wirtschaftlichen und politischen Interessen verhandelten und dabei über das Schicksal Menschen und ganze Ländern entschieden, die nie gefragt werden.

Deutschland und seine Bündnispartner aus EU, NATO und G20 tragen die Hauptverantwortung dafür, dass Menschen fliehen müssen. Deutschland war an den Kriegen im Irak 1991 und 2003, in Jugoslawien 1999, in Afghanistan 2001, in Libyen 2011 und in Syrien seit 2011 direkt oder indirekt beteiligt. Es sind genau diese Regionen, aus denen heute die meisten Flüchtlinge kommen. Deutschland ist drittgrößter Waffenexporteur, vom Giftgas-Export nach Syrien bis hin zum Sturmgewehr G3 von Heckler & Koch in alle Welt. In Afghanistan und im Kosovo ist die Bundeswehr selbst Kriegspartei und Besatzungsmacht. Nicht die Geflüchteten sind das Problem, sondern ein mörderisches System, in dem Profite alles sind und Menschen nichts. Das System, das zwangsläufig dafür sorgt, dass die Schere zwischen Arm und Reich auch hierzulande immer weiter auseinandergeht, ist das gleiche, das überall auf der Welt immer unerträglichere Lebensbedingungen verursacht und täglich mehr Menschen zwingt, ihre Heimat zu verlassen.

Wir müssen die Strukturen unserer Gesellschaftsordnung überdenken und danach fragen, was wir tun können, um alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein geknechtetes Wesen ist. Die Gewalt dieser Wirtschaftsordnung bleibt häufig unsichtbar, weil sie – wie bei den Freihandelsabkommen – strukturell und indirekt ausgeübt wird, aber umso sicherer Menschen in den Ruin und bis in den Tod treibt. Die NATO-Kriege sind deshalb nur die Ausnahme, die die Regel bestätigt; sie sind die direkte Gewalt, die die auf indirekter, auf struktureller Gewalt beruhende Eigentums- und Wirtschaftsordnung durchzusetzen oder wiederherzustellen versucht.

Wenn wir das ändern wollen brauchen wir einen grundlegend anderen Ansatz. Eine Produktionsweise, bei der die Bedürfnisse aller Menschen im Vordergrund steht und nicht der Profit auf Kosten anderer. Der konkrete Kampf gegen Rechts ist notwendig, doch er ist nur ein kleiner Teil unseres Kampfes für eine Gesellschaft, in der die Menschen sozial gleichgestellt sind und damit erst die Voraussetzung geschaffen wird, dass der Einzelne sich frei entfalten kann."


Einen ausführlichen Bericht über die Demo und das "Mut gegen Rechts"-Konzert auf dem Akademiehof findet ihr hier: Mut gegen Rechts - Zivilcourage selbstverständlich machen.